Touristische Saisonalität

Touristische Saisonalität

Fokusindikator: Bereich Ausgewogener Tourismus

Informationen

Allgemeine Informationen

Relevanz/Aussagekraft:

Der Indikator ermöglicht eine datenbasierte Analyse saisonaler Spitzen und trägt dazu bei, Überlastungen gezielt zu identifizieren und zu steuern. Ziel ist es, den zeitlichen Besucherdruck möglichst ausgewogen und stabil zu halten. Darauf aufbauend können Maßnahmen zur Reduzierung von Überlastungen, Druck auf Ressourcen und Infrastruktur sowie negativen Auswirkungen auf die lokale Umwelt und Kultur abgeleitet werden.
Der Gini-Koeffizient ist eine international anerkannte Kennzahl zur Messung von Ungleichverteilungen, die in vielen Anwendungsbereichen eingesetzt wird. Im Kontext des Tourismus zeigt er, wie ungleich sich die Nachfrage über das Jahr verteilt. Destinationen sind dabei schwer miteinander vergleichbar – aber genau das macht den Indikator besonders wertvoll: Er hilft, Unterschiede sichtbar und nachvollziehbar zu machen. Die Problemrelevanz ist hoch, da extreme Saisonalität häufig mit sozial-ökologischen Belastungen und sinkender Lebensqualität für Anwohner*innen wie Gäste einhergeht. 


Definitionen/Begriffsklärungen:

  • Gini-Koeffizient: Diese Kennzahl gibt das Maß der relativen Konzentration beziehungsweise Ungleichheit an und kann einen Wert zwischen Null und Eins annehmen. Im Fall der saisonalen Gleichverteilung von touristischen Ankünften oder Übernachtungen über alle Monate eines Jahres hinweg ergibt sich somit ein Wert von Null und im Falle der Konzentration der gesamten Ankünfte auf einen Monat ein Wert von 1.
  • Korrigierter Gini-Koeffizient: Der korrigierte Gini-Koeffizient ist eine Variante des Gini-Koeffizienten, welche die endliche Anzahl von Ausprägungen in einer Verteilung berücksichtigt. Er normiert den maximal möglichen Ungleichheitswert so, dass auch bei begrenzter Anzahl von Klassen (z. B. 12 Monate) der Wertbereich von 0 bis 1 vollständig ausgeschöpft wird. Da die Ankünfte auf eine endliche Zahl von Monaten (zwölf) verteilt werden, erreicht der normale Gini-Koeffizient im Fall maximaler Konzentration keinen Wert von 1. Der korrigierte Gini-Koeffizient normiert diesen Effekt und stellt sicher, dass Gleichverteilung mit 0 und volle Konzentration auf einen Monat mit 1 abgebildet wird.


Empfohlene Ebene:

Es wird sowohl die lokale, regionale als auch die Landesebene empfohlen.


Limitationen/Weiterentwicklungsbedarf:

Für diesen Indikator gibt es sehr individuelle Zielbezüge (z.B. ländliche Destinationen und Städte). Bei Vergleichen sind dementsprechend bspw. die Tourismusstruktur, natürliche Ausprägung und ggf. weitere Faktoren der Destination zu berücksichtigen, die saisonale Ausprägungen beeinflussen (z.B. Wetter etc.).

Erhebung

Parameter:

Korrigierter Gini-Koeffizient der monatlichen touristischen Übernachtungen

Einheit: Wert 0-1 

Datenquelle:

Amtliche monatliche Gemeindestatistik

Erhebnungsfrequenz:

Jährlich, mit monatlichen Daten

Schritte zur Erhebung (& geschätzte Kosten):

1. Zugriff auf amtliche monatliche Statistik nach Gemeinden bzw. Landkreisen

2. Abgrenzung der Erhebungsebene: Empfehlung: Da die geographfischen Grenzen von Destinationen häufig nicht eindeutig mit bestehenden Verwaltungseinheiten (z. B. Landkreisen) übereinstimmen, ist eine klare statistische Abgrenzung im Vorfeld unerlässlich. Diese sollte innerhalb der jeweiligen Destination definiert werden – idealerweise in Anlehnung an bestehende Statistiken, wie beispielsweise die Übernachtungsstatistik. Um die Destination statistisch abbilden zu können, sollten die Daten auf Gemeindeebene vorliegen, sodass sich daraus die spezifische Gebietskulisse der Destination flexibel rekonstruieren lässt.

3. Auswertung der amtlichen monatlichen Statistik nach Gemeinden, Landkreisen oder landesweit. Dies kann entweder direkt beim Statistischen Landesamt beauftragt oder selbst durchgeführt werden. Am Ende sollten die Daten so bearbeitet/sortiert sein, dass die monatlichen ÜbernachtungenAnkünfte je Ort vorliegen

4. Berechnung des Gini-Koeffizienten:
Für die Berechnung kann hier  eine Excel-Vorlage heruntergeladen, bei der die Monatswerte eingegeben werden können, um das Ergebnis zu erzeugen.

5. Ausformulierung der Berechnung des Gini-Koeffizienten:

    -Daten erfassen: 
     12 Monatswerte (= Übernachtungen je Monat) sammeln
    -Prozentanteile dieser Monatswerte berechnen und sortieren:
     Für jeden Monat:
     Monatsanteil in % = Übernachtungen im Monat/Gesamtübernachtungen im Jahr
     12 Monatswerte und prozentuale Anteile aufsteigend sortieren
    -Kumulative Anteile bilden:
     X=Kumulative Summe der prozentualen Monatsanteile
    -Zeitanteile der Monate berechnen:
     Z=1/12
    -Kumulative Zeitanteile bilden:
     Y=kumulative Summe der Zeitanteile Z
    -Abstände zwischen kumuliertem Zeitanteil und kumuliertem Übernachtungsanteil berechnen:
     A=Y-X
    -Flächenstücke berechnen:
     Abstand zwischen kumuliertem Zeitanteil und kumuliertem Übernachtungsanteil (A=Y-X) mit Zeitanteil multiplizieren:
     Für jeden Monat: F=A x Z
    -Klassischen Gini-Koeffizienten berechnen:
     Summe aller Flächenstücke mit 2 multiplizieren: G = (F1+F2+F3+F4+F5+F6+F7+F8+F9+F10+F11+F12)x2
    -Berechnung des korrigierten Gini-Koeffizienten:
     G korrigiert= n/n-1 x G
     n=Anzahl der betrachteten Werte mit denen der Gini-Koeffizient ermittelt wurde
     
 

 

Auswertung

Gewünschte Entwicklungsrichtung & Zielbezüge: 

Ziel ist eine ausgewogene zeitliche Verteilung der touristischen Nachfrage. Entsprechend wird ein sinkender Gini-Koeffizient angestrebt, der auf eine gleichmäßigere Verteilung der ÜbernachtungenAnkünfte über das Jahr hinweist. 
Zur Bewertung der Entwicklung können Zeitreihenanalysen durchgeführt werden, welchedie die jährliche Veränderung der Indikatorwerte abbilden. 

Die Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Raumebenen ist durch eine standardisierte Berechnung des Gini-Koeffizienten grundsätzlich möglich. Allerdings sind Vergleiche innerhalb derselben Ebene (z. B. zwischen Regionen oder zwischen Gemeinden) sowie zwischen direkt unter- bzw. übergeordneten räumlichen Einheiten (z. B. Land → Region → Gemeinde) eher zu empfehlen. Die oben genannten Limitationen gelten jedoch weiterhin.

Daher bieten sich eher destinationsspezifische Vergleiche an – etwa zwischen Städten untereinander, zwischen ländlich geprägten Regionen oder zwischen Destinationen mit ähnlicher funktionaler oder räumlicher Struktur (z. B. vergleichbarer Anteil an ländlichem Raum oder Mittelzentren). Auch ein Vergleich nach Destinationstypen (z. B. Kurorte, Bergregionen, Küstenorte) kann die Aussagekraft erhöhen.


Interpretationshilfe: 

Der korrigierte Gini-Koeffizient kann für die jeweilige Ebene folgendermaßen interpretiert werden:

< 0,2 → Sehr geringe Saisonalität → Tourismus verteilt sich gleichmäßig über das Jahr

0,2 – 0,4 → Mittlere Saisonalität → Es gibt Haupt- und Nebensaison, aber keine extremen Unterschiede.

0,4 – 0,6 → Hohe Saisonalität → Starke Peaks in einigen Monaten 

> 0,6 → Extreme Saisonalität → Ein oder wenige Monate dominieren den Tourismus 

 

 

Projektpartner